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Femporn - wtf?! Workshop und Vortrag zu Feministischer Pornographie

Aktualisiert: 10. Jan. 2021

Feminismus und Pornographie - geht das? Pornographie ist ein zentrales und zeitloses wie auch schambehaftetes Element unserer sexuellen Kultur. Seit der zweiten Welle des Feminismus (ca. 1970) möchte Femporn (feminist porn / feministische Pornographie) - mit eigenem Kriterienkatalog - eine ethische Alternative zum stigmatisierten Mainstreamporn darstellen. Aber es kreisen viele Mythen um den Begriff femporn und um seine künstlerische und sex-positive Funktion und feministische bzw. queer*-feministische Ideologie. Sowie um diese sogeannte "böse" Mainstreampornographie. Grund genug, darüber differenzierter zu sprechen und zu forschen.


Warum über Pornographie sprechen? Pornographie hat keinen besonders guten Ruf. Sehr gängig ist die Annahme, dass freizugängliche Pornos im Internet unsere Ideen über Sexualität und Lust negativ beeinflussen. Aber was genau ist Pornographie?

Sie ist mit vielschichtigen gesellschaftlichen Tabus behaftet und selten spricht jemand offen über seinen Konsum und Vorlieben. Laut Statistik ist in unserer digitalen Jetztzeit rund 35% des Internet-Verkehrs „pornographischen Ursprungs“ und rund ¼ der Suchanfragen haben „irgendetwas mit Pornographie“ zu tun. Im Jahr 2018 hatte die Seite pornhub.com 33,5 Milliarden Besucher*innen weltweit. Das sind täglich um die 92 Millionen Klicks. Deutschland steht dabei mit 12,4% auf Platz 1 der Pornokonsum-Spitze. (Quelle: Pornhub.com und Netzsieger.de / Juli 2019)

Welche Probleme bringt es also mit sich, wenn wir Pornographie als zentrales Element unserer sexuellen Kultur nicht offen thematisieren und hinterfragen?

Haben wir uns schon einmal überlegt, welche Körper, Rollenbilder und Lustdarstellungen im sogenannten Mainstreamporno präsentiert werden und was diese Vorbilder mit unserer sexuellen Biographie zu tun haben? Und was ist dran an der Aussage, dass Mainstreampornographie unsere Sexualität und Phantasie zerstöre?

In feministischen Kreisen heißt es oft: Der Großteil der frei zugänglichen und allgegenwärtigen Mainstreampornographie ist u.a. rassistisch, diskriminierend, menschenverachtend, sexistisch, klischeebehaftet und hetero-normativ. Weiße, heterosexuelle cis-Männer und deren Blick auf Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten dominieren den Markt und bestimmen wie Sex auszusehen hat. Welche Bedürfnisse stecken hinter den Millionen von Klicks und Streams? Was sagt das über unsere Gesellschaft und sexuelle Bildung aus? Und wie kann ich mich als sex-positive Feministin zu porn verhalten?

Darum über Pornographie sprechen! Welche Möglichkeiten gibt es, wenn man Porn konsumieren, sich aber von gängigen Darstellungen distanzieren möchte? Oder sich mit den vorgegebenen Bildern nicht identifizieren kann und möchte? Das Label "Feministische Pornographie" bietet laut eigener Aussage eine lustvolle und sex-positive Alternative mit neuen Darstellungsformen und vielfältigen Orientierungen und Vorlieben. Was genau ist nun aber Femporn? Wer vergibt diesen Stempel und bestimmt darüber was femporn ist?Die Produktionsbedingungen (Wer produziert? Wer erzählt? Wer entscheidet?) spielen dabei ebenso eine wichtige Rolle wie die Inhalte (welche Körper und Praktiken werden wie gezeigt?) und künstlerische Ambitionen. Vielfalt, Konsens und Fairness sind hier die Schlüsselwörter. Femporn Produzent*innen haben es sich zur Aufgabe gemacht zu inspirieren und zu ermutigen: Die gesellschaftlichen Normen zu hinterfragen und sich der eigenen Geschlechtsidentität und sexuellen Orientierung selbst zu ermächtigen.

Obwohl wir hier von einer kleinen Nische im gewaltigen Pornuniversum sprechen, ist die Antwort darauf nicht simpel. Alleine schon, weil bei der feministischen Ideologie über 230 Jahre Feminismus berücksichtigt werden müssen. Das bedeutet, dass verschiedene Bedürfnisse, politische Forderungen und Errungenschaften von verschiedenen Menschen mit unterschiedlichen Biographien, Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen in die Begriffserklärung miteinfließen. Diese Entwicklungen sind komplex, verwoben, perspektivistisch, intersektional zu betrachten und nicht objektiv, allgemein oder global gültig. Sowie im stetigen Wandel und Konflikt. Das beginnt schon bei der Frage: Was ist eigentlich Sex? Und welche Körperteile "müssen" dafür anwesend sein? Und wer bestimmt eigentlich darüber, was Sex ist? Da viele Fragen zur Diskussion stehen, beschäftigt sich Femporn-wtf?! aus kulturwissenschaftlicher Perspektive mit Feminismus, Pornographie und femporn (feminist porn), sexueller Bildung, gesellschaftlichen Normen und Normierungen sowie (Schein-)Moral & mehr. Bestehend aus theoretischem Input mit Begriffserklärungen, werden PorNo vs. PorYes, die kulturhistorische Entwicklung der sex-positiven Bewegung und die repräsentativen Akteur*innen von damals und heute vorgestellt. Anhand von kurzen Filmausschnitten und Bildern bzw. Fotos werden die künstlerische Herangehensweise bzw. die geforderten Kriterien, die einen (queer*-) feministischen porn ausmachen, aufgezeigt und diskutiert. Übrigens: Die Veranstaltung ist für alle Interessierten ab 18. Es wird über explizite sexuelle Schilderungen gesprochen und explizite Bilder und Filmausschnitte gezeigt. Warum spreche ich eigentlich so gern über femporn?

Feminismus in der Theorie begleitet mich seit dem Studium. Damit meine ich nicht "Frauenstudien" (gibts es das so überhaupt noch?) sondern spreche von Gender, Queer und Sex Studies, von kulturwissenschaftlichen Diskursen und Poststrukturalismus. Meiner Meinung nach wunderbar nutzbar, um die Welt zu verstehen und lästige Muster zu verlernen. Meinen Eureka Moment aber hatte ich als Freudenflüsslerin beim PorYes Award 2015 in Berlin. Dort habe ich begriffen, dass Wissensvermittlung und sex-positive Bildung ein Weg der Selbstermächtigung für alle Menschen ist. Unter Insidern ist Berlin das Mekka für femporn und ermöglicht damit auch einen bunten und transparenten Zugang zu porn und eine Spielwiese für internationale Produktionen, Akteur*innen und Interessierte. Das war der wunderbare Beginn meiner wissenschaftlichen, theoretischen, praktischen aber auch persönlichen Auseinandersetzung mit Pornographie im feministischen Diskurs und meiner Veranstaltung Femporn-wft?!. Bei der Recherche war klar: Vieles hat sich die letzten 50 Jahre verändert: Femporn gleichzusetzen mit der Forderung der Frauen*, selbst über ihre Phantasien zu bestimmen, selbst zu drehen und darüber zu entscheiden, wie weibliche* Lust aus weiblicher* Perspektive dargestellt wird, hat sich entwickelt. Manchmal taucht die Frage auf, ob denn femporn auch queere Menschen mitdenkt und wie beispielsweise ein Schwulenporno auch femporn sein kann. Die früheren "Frauenstudien" an Universitäten haben sich verändert, manche sind gewachsen und haben neue Zweige und Stränge. Die meisten heißen jetzt Gender oder Queer Studies mit diversen Schwerpunkten. Auch der Begriff femporn und seine Definition ist nicht in Stein gemeißelt und selbstverständlich sind lesbische, schwule, bi-, intergeschlechtliche und transidente sowie queere Lebens- und Liebensweisen (die Liste hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit!) im bunten Spektrum der feministischen Pornographie ebenso verortet. Vorausgesetzt diese wollen sich dort verorten. Ein Blick auf die Nominierten des PorYes Awards der letzten 10 Jahre oder ins Festivalprogramm der Pornfilmfestivals Berlin, Zürich, Wien beweist eine diverse Entwicklung.

Mehr als gemeinsames Pornschauen! Die Auseinandersetzung mit porn ist auch eine Auseinandersetzung mit bestehenden Machtstrukturen und Diskriminierungsmechanisem. Und davon sind wir alle betroffen. Und die halten wir auch alle aufrecht. Solange, bis wir anfangen Fragen zu stellen und uns auszutauschen um damit im besten Fall Perspektiven und Alternativen zu erschaffen, die vorhandene Mechanismen überschreiben. Wir dürfen dabei "marginalisierte" Gruppen nicht nur mitdenken, das Ziel ist es, instersektionalen Feminismus zu leben. Selbstverständlich habe auch ich in meiner Forschung und im Umgang mit Femporn und Feminismus blinde Flecken, bedingt durch (beispielsweise) meine Sozialisation, Biographie, Geschlechtsidentität und Orientierung. Daher bin ich angewiesen auf (und dankbar über) Perspektiven und Geschichten und Forderungen und Errungenschaften von Menschen, die außerhalb meiner Blase agieren.

Format und Angebote: Workshop für max. 25 Menschen mit Gruppendiskussionen Vortrag mit offenem Q&A sowie Austausch nach dem Inputreferat Panel mit unterschiedlichen Expert*innen zum Thema porn, Sex (education), Feminismus, Queerness und mehr. Performative Installation im Rahmen von Festival und Kunstaktionen






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